Aktuelle Situation A. sturio
Der Europäische Stör (Acipenser sturio) erlitt in den letzten 100 Jahren einen massiven Rückgang seiner Populationen. In Mitteleuropa ist er im Verlauf der letzten 40 Jahre fast überall ausgestorben. In Deutschland gilt die Art als ausgestorben oder verschollen.
Die gegenwärtige Bestandssituation des europäischen Störs (A. sturio) mit weltweit nur einer verbliebenen Population in Frankreich im Gironde-, Garonne- und Dordogne-Becken ist sehr kritisch.
Auf der Basis von Markierungsexperimenten und Fangmeldungen wird geschätzt, dass diese Population auf nur noch wenige hundert Individuen beschränkt ist.
Der Europäische Stör ist deshalb als „critically endangered“ (CR-A2d) nach den IUCN–Kriterien klassifiziert worden. Aus diesem Rückgang leitet sich die Notwendigkeit ab, massive Maßnahmen für den Arterhalt durchzuführen und wenn möglich eine zweite "backup" Population zu begründen. Dies wird in Zusammenarbeit mit der französischen Cemagref und der Unterstützung der beiden Umweltministerien aktuell versucht.
Monitoring
Die Reaktion der Tiere auf ihren Lebensraum nach dem Besatz gibt wichtige Informationen über dessen Eignung. Aber das Verhalten der Störe nach dem Besatz kann auch Auskunft geben über mögliche Gefährdungen.
Um möglichst fundierte Entscheidungen für den Besatz treffen zu können, zum Beispiel über die Größe der Tiere, die Aussetzorte, die Jahreszeit zu der besetzt wird und die Voraussetzungen, wie der Besatz zu erfolgen hat, werden die Tiere nach dem Besatz überwacht. Aber auch die Frage nach Gefährdungsfaktoren ist ein wichtiger Motor für das Monitoring.
Diese Überwachung geschieht in Abhängigkeit von der Fragestellung über direkte Fischerei, über die Verfolgung durch telemetrische Sender oder durch die Sammlung der Fangdaten aus der Fischerei. Ziel ist es mehr darüber zu erfahren, wie gut die verfügbaren Lebensräume geeignet und ggf. wie sie zu verbessern sind.
Im Elbeeinzugsgebiet wurde bislang vornehmlich mit der telemetrischen Verfolgung der Tiere nach dem Besatz gearbeitet. Hierbei erfolgt die Positionsbestimmung durch die manuelle Ortung von implantierten Sendern. Begleitend werden die Lebensräume durch physikalische und biologische Untersuchungen charakterisiert.
Spannend ist im Elbegebiet neben den generellen Fragen der Eignung der Lebensräume insbesondere der Einfluss des Hafens und der hier zeitweise auftretenden Sauerstoffmangelsituationen auf die Wanderung sowie der Zeitpunkt der Nutzung von Brackwasser, ob hier eine Größenlimitierung vorliegt.
Die Arbeiten zur Nutzung des Tiedenbereiches der Flüsse und des Einflusses des Brackwassers wurden aufgrund der Probleme der Verfolgung in der Unterelbe, wo die Fische schwieriger zu orten sind als eine Nadel im Heuhaufen, in den Elbnebenflüssen Oste und Stör mit starker lokaler Unterstützung bearbeitet.
Fischerei
Die Beteiligung der Fischerei an den Projektarbeiten wird als ein wichtiger Prüfstein für die Realisierbarkeit der langfristigen Planung erachtet.
Die Fischerei ist für das Projekt ein wichtiger Partner für die Planung von Besatzmaßnahmen sowie insbesondere für die Erfassung und Meldung von Beifängen von Stören in der Fischerei
Die Informationen aus der Fischerei sind für das Vorhaben von großer Bedeutung, da sie weitreichendere Daten zum Wanderverhalten, Lebensraumnutzung, Zuwachs und über die Rücksendung von Data Storage Tags zu physikalischen Parametern der Lebensräume verfügbar machen kann.
Zu diesem Zweck wurden die mit dem französischen Fischereiverband entwickelten Informationsblätter über die Verbände und die Fischereiaufsicht verteilt. Die Broschüren enthalten auch die benötigten Informationen für die Fangdaten. Jede Meldung wird durch die Gesellschaft honoriert.
Mit steigender Anzahl von freizusetzenden Jungfischen kommt die Möglichkeit hinzu, dass die Fischerei eine aktive Rolle als Auftragnehmer für Monitoringarbeiten in Fluss und Küstenregionen übernimmt.
Downloads:
Flyer PL
Flyer deutsch
Besatz
Besatz als ein Mittel zur Stützung von Fischbeständen wird seit weit über 150 Jahren angewandt. Die Erfolge sind aber stark von der Qualität der Lebensräume, der Auswahl der Größe der Fische beim Besatz, deren Fitness und dem natürlichen Aufkommen an Jungfisch abhängig.
Auch für den Stör wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert bereits groß angelegte Besatzprogramme durchgeführt. Die Vermehrung von geschlechtsreif gefangenen Elterntieren wurde an der Unterelbe zwischen 1874 und 1896 regelmäßig durchgeführt, bis diese Fänge so selten waren, dass die Bemühungen eingestellt werden mussten. Zudem fehlten die Methoden, um die Larven für eine Zeit anzufüttern und sie damit weniger empfindlich gegen Räuber zu machen. So wurden sie nach dem Schlupf direkt aus den Brutkästen besetzt. Eine Überprüfung der Erfolge war nicht möglich.
Für den Europäischen Stör ist aufgrund der aktuellen Bestandssituation noch kein Zeitpunkt zu bestimmen, an dem Tiere für den Besatz in ausreichender Menge zur Verfügung stehen werden. In den nächsten Jahren werden die Arbeiten in Deutschland daher noch von den Erfolgen der Vermehrung in Frankreich und dem daraus resultierenden Transfer abhängig sein.
Die so gewonnene Zeit gilt es zu nutzen, um detaillierte Erkenntnisse zu dem Wanderverhalten, den bevorzugten Lebensräumen und dem Zeitpunkt der Abwanderung ins Meer zu gewinnen. Dadurch, dass der Stör so früh einem massiven Rückgang unterlegen ist, sind diese Daten nur sehr spärlich verfügbar. Diese Punkte werden im Rahmen von experimentellen Besatzmaßnahmen und das nachfolgende Monitoring umgesetzt. Der Erstbesatz im Nordseeeinzugsgebiet erfolgte am 4.9.2008 ain der Mittelelbe bei Lenzen. Nachfolgende experimentelle Besatzmaßnahmen mit dem europäischen Stör wurden in 2009 an der Oste und an der Stör realisiert. Nachfolgende Arbeiten basierten auf dem Besatz von telemetrisch markierten Einzelfischen. Insgesamt sind bis heute 168 A. sturio im Rahmen der Versuche ausgesetzt worden.
Aufzucht
Ein Problem der Aufzucht stellt die Futterversorgung dar. Um ein gutes Wachstum der Tiere zu sichern und ausreichende Energiereserven für die Geschlechtsreifung zur Verfügung zu stellen, ist diese Futterversorgung extrem wichtig. Auch zur Vermeidung von Mangelerscheinungen ist die Zusammensetzung des Futters von großer Bedeutung.
A. sturio erweist sich im Vergleich zu vielen anderen Störarten als ein ausgesprochen wählerischer Kandidat. Eine Umstellung auf Trockenfutter gelingt mit kommerziellem Futter nur schlecht. Eine Anpassung bezüglich der Inhaltsstoffe und der Textur war daher notwendig. Doch auch so ist die Umstellung von gefrostetem Natur- auf Vollfutter nur langsam und mit stark schwankendem Erfolg möglich.
Bei den Elterntieren des Jahrgangs 1995 liegt der Schwerpunkt der Nahrungsversorgung daher immer noch bei gefrostetem Naturfutter.
Aufbau Elterntierbestand
Die Grundvoraussetzung für die Nachzucht von Jungfischen für den Besatz ist die Verfügbarkeit eines ausreichend großen und diversen Bestandes an Elterntieren. In Deutschland wird der Grundstock eines solchen Bestandes am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei seit 1996 in Kooperation mit dem französischen Cemagref etabliert.
Um eine ausreichende genetische Vielfalt in den Nachzuchten sicherzustellen, sollen genetische Zuchtpläne für die Vermehrung entwickelt werden. Auf diese Weise soll dem Verlust seltener genetischer Marker entgegen gewirkt werden. Diese Praxis setzt allerdings die zeitgleiche Reifung der benötigten Tiere voraus, was bei den unterschiedlichen Reifungszyklen der Männchen und Weibchen sowie der begrenzten Anzahl der Tiere im Elterntierbestand nicht voraus gesetzt werden kann. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, wird vermehrt auf die Kryokonservierung von Sperma gesetzt, die eine fast unbegrenzte Lagerfähigkeit ermöglicht und somit die Verfügbarkeit genetisch passender Elterntiere absichert.
Für den Europäischen Stör (A. sturio) und damit die Arbeiten im Nordseeeinzugsgebiet stellt sich die Frage nach der Größe des Elterntierbestandes und damit auch der genetischen Vielfalt derzeit in besonderem Maße. Für den A. sturio wurden im Rahmen der Zusammenarbeit mit der französischen Forschungseinrichtung CEMAGREF im Jahr 1996 Tiere aus kontrollierter Nachzucht an das IGB gebracht. Davon befinden sich 11 geschlechtsreife Tiere in Haltung am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Die Tiere sind zurzeit neben einem in der Nordsee gefangenen Fisch, der im Aquarium Helgoland gehalten wird, die einzigen A. sturio, die es in Deutschland gibt. Versuche diesen Bestand durch Fische aus der Fischerei zu erweitern, waren bislang erfolglos.
Nachzuchten aus kontrollierten Vermehrungen des ex-situ Bestandes des Cemagref in Bordeaux der Jahre 2007-2009 bilden mittlerweile einen erheblich größeren Bestand, der zur Geschlechtsreife aufgezogen wird. Bis diese Tiere in die Vermehrungen einbezogen werden können, werden sicherlich noch mehr als 6 Jahre vergehen.